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Kapstadt, den 3. November 2002

Liebe Menschen,

der Regen tropft vom Flachdach, der Wind pustet kühl durch die zahlreichen Fensterspalten und der Himmel ist grau. Aus Verbundenheit mit der Nordhalbkugel gibt es bei uns heute Herbstwetter. Aber ich erwarte ein Ende der uneingeschränkten Solidarität schon Mitte der Woche. Dann wird wieder mit blauem Himmel, 26 Grad Celsius und Sonne fast bis zur Tagesschau zurückgeschossen.

Die Nachricht der Woche ist in eigener Sache. Meine neue Homepage ist online. Unter www.kosbab.de gibt es ab sofort jede Menge Fotos, Fotos, Fotos und noch mehr vom Kap. Der geneigte Rundbrief-Leser wird ja vielleicht Interesse an der Illustration meiner Schreiben haben. Ich freue mich jedenfalls schon auf Kritik, Anregungen und Lob.

Die vergangenen zwei Wochen waren weniger stressig als die davor, doch getan hat sich wieder Einiges: Meeressäuger, meine erste "südafrikanische" Party mit abruptem Ende, der Protea-Wahnsinn von Kirstenbosch, mein erster Besuch aus Deutschland und als Krönung gestern ein hüpfender Pastor und Zungenrede.

Die seltsame Wiederkehr der Dokumente aus meinem Portemonnaie hatte sich ja schon angekündigt, als ich den vergangenen Rundbrief schrieb. Nach einem Tipp und einer elend langen Autofahrt erhielt ich schon einen Tag später Kredit-, EC- und Ausweiskarten auf dem Campus der University of Western Cape zurück - nebst Free-Smoothie Card von Kauai. Der Herrgott hatte es wieder mal sehr gut mit mir gemeint. Doch damit der Denkzettel besser wirken würde, stellte er mir noch einige Aufgaben, bis alles wieder beim Alten sein sollte. Die Banken hatte er für diese Lektion auserkoren. Die Deutsche Bank wollte ein Fax mit vom deutschen Konsulat beglaubigter Unterschrift zur Entsperrung der EC-Karte. Und Entrium Direct Bankers erklärte mir in überaus freundlichen Mails, dass sie gerne eine neue Kreditkarte ausstellen, da die alte nach der Sperrung nicht wieder zu reaktivieren sei. Zuschicken würden sie mir die Neue auch sehr gerne. Von wegen der Sicherheit würden sie das auch gleich per Kurierdienst tun und... mir mal eben 75 Euro dafür in Rechnung stellen. Nee, nee, sagte ich mir. Dafür kann ich in Südafrika ja eine Woche mit allen Schikanen leben. Dass muss nicht sein. Und hatte noch mal Glück im Unglück, weil sich just in dem Moment mein erster Besuch aus Deutschland ankündigte, den ich als Kurierdienst missbrauchte.

Jetzt habe ich also wieder Plastikgeld und musste noch nicht mal die Notreserve-Reiseschecks antasten. Und mit der Gewissheit ging es mir gleich besser und ich nahm mir einen Tag frei und fuhr gen Osten nach Hermanus. Das Ziel meiner Tour lungert dort zwischen September und November vor der Küste herum, pflegt seine Jungen und freut sich, dass so wenig Japaner da sind: Südliche Glattwale. Die riesigen Säuger gibt es hier im Frühling entlang der ganzen Küste. Doch so nah wie in Hermanus kommt ihnen Mensch sonst nirgendwo. Mit meinem neuen Feldstecher schnorchelten sie zum Greifen nah vor mir herum, planschten lustig mit ihrer Heckflosse und hielten die Touris auf Trapp, die ihnen von einer Klippe zur nächsten folgten und dauernd ins Wasser zu fallen drohten. Mir war das zu stressig. Ich setzte mich auf einen Felsen, aß Doughnuts und wartete bis sie wieder kamen. Aber so nett die Tiere auch sind, mehr als ein Stück Rücken oder die Flosse sieht man von ihnen eh nicht. Und die meditativ-ausgeschlachteten Gesänge gibt's nur auf CD.

Da fand ich die schweigsamen Pflanzen im Nationalen Botanischen Garten von Kirstenbosch doch weitaus spannender. Vor allem der Duftgarten und der mehrere hundert Jahre alte Teil mit seiner Vogel-Quelle haben es mir angetan. Hunderten Proteen blühen in den prächtigsten Farben und putzige Vögel schlürfen Nektar (jetzt weiß ich, was Ex-Kollege Buteweg immer mit "Honig-Saugen" umschrieben hat), Schildkröten wackeln über den gepflegte Rasen und nur die deutschen Touristen stören die Harmonie. Zwei Dinge waren besonders schockierend: 1. meine ersten Sachsen in Südafrika, 2. eine Tussi, die mich glatt aus heiterem Himmel auf Deutsch fragte, ob ich nicht wüsste, wo die Orchideen stünden. Neeeeeeeeeeeein, weiß ich nicht. Und wenn, dann würde ich es dir sicher nicht verraten. Ja, sind wir denn hier auf dem Ballermann, dass einen die Leute in fremden Landen auf Deutsch anquatschen?

Also das Verhältnis zu meiner Nationalität habe ich ja noch nicht endgültig geklärt. Als Patrioten hätte ich mich wohl auch in Deutschland nicht bezeichnet. Doch was hier an Volk rumläuft, ist meist nur peinlich. Bestes Beispiel war meine erste "südafrikanische" Party, auf der Thulani als DJ Musik auflegen sollte. Schön, dachte ich mir, wirst du etwas deinen Horizont erweitern, und endlich Smalltalk und Flirt auf Englisch üben können. Daraus wurde nichts. Denn die zwei deutschen und eine englische Gastgeberinnen hatten auch fast ausschließlich Germanen eingeladen. Nicht genug, dass sie zusammen wohnen und studieren. Sie bleiben auch beim Feiern fast unter sich. Und so blieb ich auch unter mir und half Thulani beim Auflegen. Derweil konnte ich gut die schnöseligen Mamasöhnchen beobachten, die heute mal ihre Golfausrüstung und das Surfbord zu Hause gelassen hatten und mit 4x4 oder schickem Mietwagen vorgefahren waren. Als dann noch ein Deutscher ner Südafrikanerin den Knotentanz beibringen wollte, wurde mir fast schlecht und ich wusste, woher meine Abneigung kam. Das waren alles diese netten Juristentypen (sorry für das Klischee), denen ich in Freiburg zu genüge begegnet war und die mir einige Abende verdorben hatten. Und jetzt lernte ich einen weiteren Zyklus in ihrer Entwicklung zum Kotzbrocken kennen: Wir verjuxen Papis Geld in Südafrika und machen den Master of International Law. Wenn ich nicht einen Tag später ein super nettes Pärchen (Sozialwissenschaftlerin/Jurist) kennengelernt hätte, wäre meine Einstellung zu Deutschen in Südafrika gleich ganz den Bach runtergegangen. Daran war vor allem ein Teutone schuld, der auf der Fete gegen 2.30 Uhr sturzbetrunken einen Südafrikaner ausknockte und damit die Party beendete. Gute Nacht, Deutschland.

Im Moment bewegt mich noch immer die "Fete" vom gestrigen Abend. Aus Neugier wollte ich eine Kollegin in den Gottesdienst ihrer Kirche im Township Manenberg begleiten. Doch was mich in dieser trostlosen Gegend erwartete, konnte ich nicht ahnen. Oder doch? Wenn mein Englisch besser wäre, hätte ich auf dem Weg nach Manenburg Pentecostal mit Pfingsten übersetzt und gewusst, dass ich in den Church Service einer Pfingstgemeinde eingeladen wurde. So kam der Aha-Effekt erst später. Denn dass der Pastor mit Funkmikrofon hüpfend die Gläubigen auf Gott einschwor, fand ich noch äußerst putzig und stellte mir meine Pfarrerin auf der Kanzel vor (na, wie wäre es, Renate?). Die Gospelmusik war auch noch sehr nett. Und dass die ersten 70 Minuten des Gottesdienstes im Stehen zelebriert wurden, war auch o.k.

Doch als diese zwei geschniegelten Herren von der Mutterkirche in Amerika (neben mir übrigens die einzigen "Weißen" im Saal") zum Mikro griffen, wurde mir anders: Sehr grobschlächtige Predigt und immer wieder das einpeitschen von simplen Glaubensbekenntnissen. Und dann die Aufforderung, die Menschen zur Rede mit fremder Zunge einzuladen, die noch nicht das Glück hatten, diese erleben zu dürfen. Da wurde mir anders. Und Abby fragte mich wirklich, ob ich nicht Lust hätte, mit nach vorne zu kommen und gemeinsam mit ihr zu "beten". Das "beten" glich aber mehr einem heidnischen Kult, bei dem die Pastoren ihre Hand auf die Köpfe der Zungenredner in spe drückten und ihnen ins Ohr riefen. Die Umherstehenden klatschten dazu rhythmisch bis die Gestalten mit erhobenen Armen zitternd in Trance fielen und zu faseln begannen. Eigentlich halte ich mich für sehr tolerant. Aber das hatte für mich zu viel mit Sekte zu tun und ich betete plötzlich noch viel intensiver - diesen Platz verlassen zu dürfen. Nach drei Stunden war es vollbracht. Die Zungenredner wischten sich den Schweiß von der Stirn. Der amerikanische Pastor mit deutscher Mutter würde sich gerne mal mit mir zum Plaudern treffen und ich fand den Weg zurück in die Stadt durch das gespenstige Manenberg.

Beste Grüße aus dem beseelten Süden

von Lutz